Noch nie konnten sich so viele Menschen gleichzeitig öffentlich äußern, wie jetzt zu Zeiten der sozialen Netzwerke. Aber wer gehört werden will, muss sich Aufmerksamkeit verschaffen. Und so entbrennt ein Kampf um gegenseitige Aufmerksamkeit. Aber woher kommt unser Hunger nach Aufmerksamkeit? Und wie schaffen wir es, dass andere aufmerken? Denn, so Ritas richtiger Einwand, damit andere aufmerken, müssen wir in gewisser Weise stören. Und wenn wir dann Aufmerksamkeit bekommen, ist das echte Resonanz oder nur ein Echo? Was bedeutet echte Zuwendung im Digitalen? Und dann ist ja auch noch die Sache mit der Wertschätzung. Ein komplexes Themenfeld, wie ihr seht, und deshalb haben wir uns für diese Episode kompetente Hilfe geholt: Uli Sckaer ist zu Gast. Sie ist psychologische Psychotherapeutin und arbeitet in Köln. Eine ihrer Diagnosen: Podcasten ist nicht pathologisch! Puh!
„Dass wir jetzt Philosophinnen kennen, liegt daran, dass wir im 21. Jahrhundert leben und jetzt auch wieder das Interesse an weiblichen Denkerinnen größer geworden ist“, sagt Rita. Und das ist auch super. Suchen muss man sie trotzdem. Denn sie werden weit seltener zitiert. Und deshalb hat Nora an Rita den Wunsch geäußert, mal auf die Suche nach Philosophinnen zu gehen. Und damit es irgendeinen Anhaltspunkt gibt, gab es etwas flapsig die Anregung: „Such doch mal eine Frau für Nietzsche“.
Und da Rita im Prinzip jede Herausforderung annimmt, hatte sie auch schnell eine Lösung: Simone de Beauvoire. Aber das war Rita dann auch wieder zu naheliegend. Und außerdem sollten die Gedanken der Philosophin, die sie aufspürt, näher an den Dingen sein, die uns aktuell beschäftigen. Und da landet Rita ausgerechnet im Mittelalter. Bei Hildegard von Bingen. Den meisten ist sie als Heilerin und Erfinderin des legendären Hildegard von Bingen Müsli bekannt. Aber: Da steckt weit mehr dahinter als eine Frau, die sich besonders gut mit Ernährung auskannte. Im Prinzip war Hildegard von Bingen nicht nur eine Universalgelehrte, sondern bereits im 11. Jahrhundert irgendwie auch Feminstin – eine streng gläubige, katholische Feminstin. Aber im Zeitkontext gedacht ist das einigermaßen erstaunlich, erklärt Rita. Und ja, was für eine Lebensgeschichte. Aber auch was für eine wahnsinnige Fantasie in Bezug auf ihre Visionen. Und da das irgenwie ansteckend war, hat diese Folge so viele Namen, dass wir uns am Ende entschieden haben, alles in eins zu rühren. Nur die Tierärsche haben wir rausgelassen. Das wär dann auch wirklich zu viel des Guten gewesen. Wie das alles zusammenhängt, müsst ihr euch einfach anhören.
P.S. Weil wir in der Folge kurz das Thema „Stutenbissigkeit“ anreißen, sei an der Stelle diese Folge hier nochmal empfohlen:
Episode 8 – Ein Eimer voller Krabben
Rita ruft an. Moment, Rita ruft an?! Das macht sie doch sonst nicht … und genau diesen einen Anruf verpasse ich. Zunächst. Im zweiten Versuch bin ich sofort dran – ausgerechnet als ich Eier kaufe. Im Biosupermarkt. Aber trotzdem weiß ich natürlich, dass auch Bioeier Selbstbeschiss sind. Ich kaufe sie trotzdem. Aber weil ich ja auch mit Rita schon über Vegetarismus, Veganismus und Tierrechte gesprochen habe, bin ich mir einfach bewusst, dass ich wider besseres Wissen handele – und da fühl ich mich erwischt. Aber immerhin, so haben wir ein Thema. Schuldgefühle. Und ausgerechnet dieses Thema, findet Rita bei der Recherche heraus, gehört nur so sekundär zur Philosophie. Stört uns aber ü-ber-haupt nicht. Wir reden trotzdem drüber. Über Schuld, Schulden, die dazu gehörenden Gefühle und Verantwortung. Und warum Schuldgefühle ein Privileg sind.
„Das Schuldgefühl wäre dann so etwas wie die Stimme des Gewissens, die fordert: Sei du selbst, sei ein Individuum und sei das auf Basis deiner Eingelassenheit.“
Rita Molzberger
P.S. Aus Zeitgründen an dieser Stelle eine beispielhafte Auswahl der Bücher, die Rita als Quellen angegeben hat und nicht die Originalquellen von Rita.
Sind wir auf dem Weg in den Transhumanismus?
Nora hat die Episode „The Remote Control Brain“ des „Invisibilia“-Podcasts gehört. Darin wird einer Frau mit obsessiven Störungen und starken Depressionen ein Chip ins Gehirn transplantiert. Dieser Chip per Strom kann die Spannung in einer bestimmten Gehirnregion erhöhen. Das Ergebnis ist tatsächlich, dass es der Frau bald besser geht. Die Sache hat natürlich ein oder zwei Haken. Dieser Fortschritt in der neurologischen Forschung wirft aber mindestens ein oder zwei moralische Fragen und Gedanken auf. Und um die geht es in dieser Episode. Quasi Cyborg und Science Fiction für Anfänger:innen oder Einsteiger:innen.
Geld ist eine schwierige Angelegenheit. Und eine, über die Philosoph:innen nicht allzu gerne referieren. Es gibt also nicht richtig viel philosophische Literatur zum Thema Geld. Dabei hat Geld einen großen Einfluss auf unser Leben. In allen Bereichen. Es ist existentiell. Es entscheidet über unseren sozialen Status. Es entscheidet, ob und wie wir medizinisch versorgt werden, zum Beispiel im Alter. Oder wie würdevoll. Am Geld hängen also ganz entscheidende Lebensfragen. Und die gehören diskutiert – nicht nur als Metathema „Wirtschaft“.
Was lässt Schülerinnen und Schüler gerade jeden Freitag auf die Straße gehen, um für Umweltschutz zu demonstrieren? Sie fordern etwas ein, zu dem wir vor allem moralisch verpflichtet sind. Nämlich diese Welt in der wir leben so zu schützen, dass sie auch in Zukunft noch für Menschen lebenswert bleibt. Eine moralische Forderung, die sich nicht zwingend auch in Gesetzen widerspiegelt. Und das macht ein interessantes Spannungsfeld auf. Denn wo verpflichten wir uns moralisch, zum Beispiel zur Einschränkung unserer Freiheit, noch bevor Gesetze greifen? Oder nehmen wir zum Beispiel Gesetze, die Homosexualität kriminalisieren und unter Strafe stellen. Sich dagegen auszusprechen und für das Gegenteil zu demonstrieren, machen wir vor allem aus einer moralischen Haltung heraus. Und in Ländern, wo selbst demonstrieren unter Strafe steht, ist das dann zwar nicht legal, moralisch gesehen aber eben legitim. In dieser Episode diskutieren Rita und Nora, wo der Unterschied zwischen moralischer und gesetzlicher Verpflichtung ist. Warum Moral so einen schlechten Stellenwert hat und warum es notwendig ist, die großen Fragen unserer Zeit gesellschaftlich und politisch möglichst breit zu diskutieren.
*P.S. Wir haben diesmal die Literaturangabe aus Zeitgründen ein bisschen zackig gemacht. Das heißt, es sind Bücher zitiert, in denen ihr den Inhalt finden könnt, die aber nicht unbedingt die exakt identischen Bücher sind, die Rita auf dem Tisch liegen hatte im Gespräch. Aber uns war wichtiger, ihr könnt den Inhalt selbst recherchieren.
Erwachsen sein – was heißt das eigentlich genau? Für Nora ist das diese rechtwinklinge und graue Welt aus Momo. Und irgendwie – wer will schon erwachsen sein? Das ist doch langweilig! Rita sieht das naturgemäß anders. Sie sagt: Erwachsen sein ist auch schön. Denn erwachsen sein heißt, Freiheiten haben. Ob sie Nora am Ende überzeugen kann, dem Erwachsen sein doch noch etwas abzugewinnen?
In dieser Folge geht es um verantwortungsvolle junge Menschen, wie Greta Thunberg und erwachsene, die sich so gar nicht verantwortungsvoll benehmen – schon gar nicht dieser jungen Schwedin gegenüber. Es geht um die Unterschiede zwischen kindisch und kindlich und die Frage, ob uns digitale Geräte infantilisieren. Und natürlich kommen wir nicht an diesem wunderschönen Zitat von Erich Kästner vorbei:
„Die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut.
Erich Kästne
Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt.
Früher waren sie Kinder,
dann wurden sie Erwachsene,
aber was sind sie nun?
Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“
Rita und Nora sind noch ein bisschen am Neid hängengeblieben. Weil es zum Beispiel ja einen Unterschied macht, worauf wir neidisch sind. Auf materielle Güter neidisch sein ist eine Sache. Die sind in der Theorie zumindest mit genügend Geld irgendwie in die Finger zu bekommen. Aber was ist, wenn wir neidisch sind auf ein bestimmtes Talent? Das können wir weder der anderen Person wegnehmen oder streitig machen, noch können wir es uns zu eigen machen. Rita fragt da klugerweise, was wir denn da eigentlich wollen. Denn Talent wird ja auch bewundert. Wir könnten uns also fragen, ob wir das Talent neiden oder die damit verbundene Anerkennung.
Und was ist dann mit dem Neid auf die Güter, die wir tatsächlich käuflich erwerben können. Gibt es dahinter ein System oder bedienen wir damit sogar ein System? Und noch einen Gedanken hat Rita dazu, denn vielleicht ist es deshalb nicht so leicht, dem Ganzen auf die Schliche zu kommen, weil Neid ein gesellschaftliches Tabuthema ist. Und dann gibt es da noch den Neid der Anderen, den wir mitunter auch zelebrieren, weil wir tatsächlich die Anerkennung darin wahrnehmen – und die gut finden.
Eine Episode mit Gehirnbritzelgarantie – und einem Rant auf die Klatschpresse.
Themenwünsche aus der Community erfüllen wir unglaublich gerne. Zumal uns dieser hier dazu gebracht hat, uns ein Gefühl anzuschauen, dass wir grundsätzlich gar nicht so gerne ansehen mögen: Der nagende Neid. Aber es lohnt sich natürlich, da mal genauer hinzusehen. Denn was will uns Neid eigentlich sagen? Und wie trennen wir Neid von Missgunst? Kommen die beiden immer Hand in Hand? Ginge es nach Udo Lattek, einem ehemaligen Fußballtrainer, könnten wir sämtliche gesellschaftlichen Diskussionen auf diese Ursachen zurückführen: Neid und Missgunst.
Interessant ist auch, dass Neid auf einer persönlichen Ebene gut zu erklären ist und ein Hinweis sein kann auf ein Mangelgefühl. Ähnlich wie die Eifersucht. Aber was ist, wenn Neid und/oder Missgunst zu Vergesellschaftung führen? Wenn sich Gemeinschaften bilden aus dem Gefühl des Neides auf andere Personen oder Personengruppen. Auch das ist nicht ganz unspannend, denn hier werden die Probleme komplexer als in der Reflexion der eigenen Persönlichkeit.
Und so ernsthaft das Thema klingt: Rita und ich hatten wirklich großen Spaß daran, uns diesem stechenden kleinen Ungeheuer in uns anzunähern. Schließlich ist Neid nur allzu menschlich. Es kommt halt darauf an, wie wir damit umgehen.
Udo Lattek – Neid und Missgunst
In unserer Episode zur Digitalisierung fiel der Begriff FOMSI, bei einem Vortrag von Katrin Rönicke hat Nora den Begriff FOMO gehört. Beide Begriffe haben mit der Angst zu tun, etwas zu verpassen. Dabei ist FOMO etwas allgemeiner gefasst: Fear of missing out. FOMSI ist mit Fear of missing something important etwas spezifischer.
Für Rita ist es aber erst mal wichtig, überhaupt Furcht von Angst zu unterscheiden. Und da machen es uns die Philosophen nicht so ganz einfach. Denn Angst und Furcht werden etwas anders definiert als in der Gebrauchssprache. Aber das lasst euch doch einfach von Rita erklären.
Die Frage, die sich aber auch stellt ist: Wo kommt diese Angst her, etwas zu verpassen? Denn eigentlich müsste uns ja klar sein, dass wir grundsätzlich mehr verpassen als wir mitbekommen können. Zeit ist begrenzt und auch wenn erst mal alles möglich erscheint – an irgendeiner Stelle müssen wir Prioritäten setzen. Und das heißt, das eine machen und das andere lassen.
Die Angst, was zu verpassen, sorgt aber auch für große Unsicherheit. Es gibt so viele Informationen, die theoretisch verfügbar sind. Was, wenn wir das wichtigste verpassen? Wenn wir einen bestimmten Fakt nicht mitbekommen? Oder uns jemand eine Geschichte aus einer Perspektive erzählt, die so nicht im uns bekannten Narrativ vorkommt? Und an dieser Stelle kommen Verunsicherung und Glaubwürdigkeitsverlust ins Spiel. Aber bevor das hier zu kompliziert wird – hört doch einfach rein!