In einer Welt der Wissenschaft lässt sich im Prinzip alles erklären. Naja fast alles. Manches wird allerdings auch immer rätselhafter, je mehr wir darüber wissen. Und manchen Dingen bleibt ein Zauber, obwohl wir ganz viel darüber wissen. Es gibt Menschen, die uns im Wahrsten Sinne des Wortes verzaubern. Das kann toll sein. Das kann aber auch schwierig werden. Da nämlich, wo es in Sakralisierung umschlägt – also in etwas Mystisches oder Heiliges. Das erleben wir auch bei Dingen. Rund um ein neues iPhone wird regelrecht eine Messe zelebriert. Nicht jede und jeder darf es sofort haben. Es thront erhoben auf einem Sockel. Menschen campen tagelang vor Apple-Stores, um die ersten zu sein, die das neue Heiligtum – Verzeihung – Smartphone in den Händen halten zu dürfen … und das wäre noch unser kleinstes Problem mit der Sakralisierung. Denn da, wo wir uns immer noch wundern, wo uns die Erklärungen auch bis heute noch fehlen, ist der Übergang zwischen These, Theorie und Verschwörungstheorie mitunter fließend. Und dann ist da noch die Frage, was das Ganze mit Macht zu tun hat. Und ob wir die Welt wirklich nur denkend erschließen – oder eben doch auch wahrnemend und wundernd.
Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort
und die Welt hebt an zu singen
triffst du nur das Zauberwort
Joseph von Eichendorff
Selbstliebe ist ja ein viel zitierter Begriff. Nur so richtig gut definiert ist er in der Anwendung nicht, sagt Rita. Da gehen schon mal verschiedene Dinge durcheinander. Zum Beispiel bei der Frage, was ist Selbstliebe und was ist Selbstsucht? Aristoteles beantwortet das mit dem Streben nach dem Guten, Schönen und Sittlichen. Und schon da stellt sich die Frage: Was ist denn gut, schön oder sittlich? Wie definieren wir das? Heute. Und dann ist da ja noch die Frage nach der Selbstsorge. Denn wer sich selber liebt, der sorgt gut für sich. Ernährt sich gut, sorgt für ausreichend Schlaf und Pausen … nah, fühlt sich da noch jemand so ertappt wie Nora? Dann ist dieser Podcast genau der richtige für euch. Denn eigentlich müssen wir an Selbstliebe scheitern – um zu einer bahnbrechenden Erkenntnis zu kommen …
Um die Dinge zu ordnen brauchen wir Regeln. Regeln sollten relativ stabil sein, damit sie auch verlässlich sind. Und sie sollen reziprok sein. Also, wenn ich mich dran halte, dann hältst du dich auch dran. Was passiert, wenn das nicht so ist, zeigt sich zum Beispiel bei Spielregeln. Geschummelt wird nicht! Oder zumindest sollte man sich dabei nicht erwischen lassen. Und da sind wir schon bei einer sehr menschlichen Regung. Wenn es uns zupass kommt und uns das Risiko nicht allzu groß erscheint … nunja, die ein oder andere Regel kann dann auch schon mal, sagen wir, großzügig ausgelegt werden. Oder sie fällt halt – schwupps – gleich unter den Tisch. Aber es gibt die eine goldene Regel, die so oder ähnlich in fast allen Kulturen gefunden werden kann. Auf die wir bauen, wenn es um gutes Zusammenleben geht. Welche das ist und, warum auch an dieser Regel nicht alles gold ist, was glänzt, das erfahrt ihr in dieser Ausgabe.
Vor diesem Gespräch hatten Rita und Nora einen riesen Respekt. Kann man über Liebe sprechen ohne allzu emotional zu werden? Ja, das geht. Und zwar in einer Vielfalt, wie wir das selbst nicht erwartet hätten. Wir sprechen über die drei Säulen der Liebe – Eros, Philia und Agape – und kreieren die Anleitung für ein individuelles Liebesrezept. Es geht um die Liebe zwischen Paaren und Freund:innen, und warum Liebe auch politisch ist. Wir denken darüber nach, ob sich Liebe und Vernunft ausschließen, und was dieses Gefühl mit Freiheit zu tun hat. Und am Ende schicken wir noch die Demokratie in Therapie. Denn irgendwie erinnern uns die ganzen Diskussionen an die Krise in einer Langzeitbeziehung.
„Zu Unrecht hat man der Liebe die Vernunft entzogen,
Blaise Pascal, Abhandlung über die Leidenschaften der Liebe. Köln 1949, S. 21
und ohne guten Grund hat man sie einander gegenübergestellt,
denn Liebe und Vernunft sind ein und dasselbe.
Eine Unrast drängt sich nach der Richtung,ohne alles recht zu prüfen,
aber immer ist es eine Vernunft,
und man darf und kann nicht wünschen,daß es anders sei,
denn sonst wären wir recht klägliche Maschinen.
Trennen wir also die Vernunft nicht von der Liebe,
denn sie ist von ihr unlösbar.
Die Dichter haben nicht recht gehabt,
uns die Liebe als blind darzustellen;
man muß ihr die Binde abnehmen
und ihr von nun an die Freude über die Augen wiedergeben.“
Rausch – klang wie ein super Thema. Aber interessanterweise ist der Rausch sehr schwer in Worte zu fassen. Der Zustand entzieht sich unserer Ratio. Sobald wir verbalisieren können, was Rausch ist, haben wir den Zustand auch schon wieder verlassen. Zudem ist Rausch eine ziemlich individuelle Geschichte. Denn je nach Substanz reagieren wir sehr unterschiedlich – und manchmal auch je nach Tagesform. Rita und ich haben trotzdem versucht herauszufinden, was Rausch eigentlich ist und warum wir Menschen ihn suchen. Und es sind nicht immer nur Drogen im Spiel. Der eigene Körper kann mitunter so viele Botenstoffe ausschütten, dass wir in Rauschzustände geraten – und süchtig werden können. Nach Anerkennung zum Beispiel, nach Schönheit oder auch nach Macht. Auch Blutrausch ist ein Phänomen, das durch körpereigene Stoffe ausgelöst wird – so grausam das ist.
Und dann stellt sich auch noch die Frage, ob Rausch eigentlich das Gegenteil von Ratio ist. Ist Rausch die pure Unvernunft?
…und die trainierte Enge des Bewusstseins
Die einen versuchen, ihr Bewusstsein zu erweitern. Wir versuchen in dieser Episode, unser Bewusstsein zu verengen: Es geht um Konzentration. Also das fokussieren unseres Bewusstseins auf einen wie auch immer gearteten Mittelpunkt. Gar nicht so leicht in Zeiten, in denen ständig irgendetwas nach unserer Aufmerksamkeit verlangt. Denn Konzentration hat zwei Seiten: Zum einen geht sie vom Subjekt aus, also von uns selber, indem wir unser Bewusstsein bewusst auf etwas konzentrieren und dafür andere Sachen unbeachtet lassen. Das gelingt uns besonderst gut, wenn vom Objekt auf das wir unsere Konzentration richten wollen, eine gewisse Faszination ausgeht, erklärt Rita. Nur stehen heute eben extrem viele faszinierende Objekte in Konkurrenz zueinander. Und dann ist sie wieder dahin, unsere Konzentration. Dabei hat Konzentration durchaus ihre guten Seiten: Denn es macht uns mitunter glücklich, uns einfach mal nur intensiv einer einzigen Sache widmen zu können und zu dürfen. Wenn’s nur nicht so schwer wäre, einen Anfang zu finden …
Noch nie konnten sich so viele Menschen gleichzeitig öffentlich äußern, wie jetzt zu Zeiten der sozialen Netzwerke. Aber wer gehört werden will, muss sich Aufmerksamkeit verschaffen. Und so entbrennt ein Kampf um gegenseitige Aufmerksamkeit. Aber woher kommt unser Hunger nach Aufmerksamkeit? Und wie schaffen wir es, dass andere aufmerken? Denn, so Ritas richtiger Einwand, damit andere aufmerken, müssen wir in gewisser Weise stören. Und wenn wir dann Aufmerksamkeit bekommen, ist das echte Resonanz oder nur ein Echo? Was bedeutet echte Zuwendung im Digitalen? Und dann ist ja auch noch die Sache mit der Wertschätzung. Ein komplexes Themenfeld, wie ihr seht, und deshalb haben wir uns für diese Episode kompetente Hilfe geholt: Uli Sckaer ist zu Gast. Sie ist psychologische Psychotherapeutin und arbeitet in Köln. Eine ihrer Diagnosen: Podcasten ist nicht pathologisch! Puh!
„Dass wir jetzt Philosophinnen kennen, liegt daran, dass wir im 21. Jahrhundert leben und jetzt auch wieder das Interesse an weiblichen Denkerinnen größer geworden ist“, sagt Rita. Und das ist auch super. Suchen muss man sie trotzdem. Denn sie werden weit seltener zitiert. Und deshalb hat Nora an Rita den Wunsch geäußert, mal auf die Suche nach Philosophinnen zu gehen. Und damit es irgendeinen Anhaltspunkt gibt, gab es etwas flapsig die Anregung: „Such doch mal eine Frau für Nietzsche“.
Und da Rita im Prinzip jede Herausforderung annimmt, hatte sie auch schnell eine Lösung: Simone de Beauvoire. Aber das war Rita dann auch wieder zu naheliegend. Und außerdem sollten die Gedanken der Philosophin, die sie aufspürt, näher an den Dingen sein, die uns aktuell beschäftigen. Und da landet Rita ausgerechnet im Mittelalter. Bei Hildegard von Bingen. Den meisten ist sie als Heilerin und Erfinderin des legendären Hildegard von Bingen Müsli bekannt. Aber: Da steckt weit mehr dahinter als eine Frau, die sich besonders gut mit Ernährung auskannte. Im Prinzip war Hildegard von Bingen nicht nur eine Universalgelehrte, sondern bereits im 11. Jahrhundert irgendwie auch Feminstin – eine streng gläubige, katholische Feminstin. Aber im Zeitkontext gedacht ist das einigermaßen erstaunlich, erklärt Rita. Und ja, was für eine Lebensgeschichte. Aber auch was für eine wahnsinnige Fantasie in Bezug auf ihre Visionen. Und da das irgenwie ansteckend war, hat diese Folge so viele Namen, dass wir uns am Ende entschieden haben, alles in eins zu rühren. Nur die Tierärsche haben wir rausgelassen. Das wär dann auch wirklich zu viel des Guten gewesen. Wie das alles zusammenhängt, müsst ihr euch einfach anhören.
P.S. Weil wir in der Folge kurz das Thema „Stutenbissigkeit“ anreißen, sei an der Stelle diese Folge hier nochmal empfohlen:
Episode 8 – Ein Eimer voller Krabben
Rita ruft an. Moment, Rita ruft an?! Das macht sie doch sonst nicht … und genau diesen einen Anruf verpasse ich. Zunächst. Im zweiten Versuch bin ich sofort dran – ausgerechnet als ich Eier kaufe. Im Biosupermarkt. Aber trotzdem weiß ich natürlich, dass auch Bioeier Selbstbeschiss sind. Ich kaufe sie trotzdem. Aber weil ich ja auch mit Rita schon über Vegetarismus, Veganismus und Tierrechte gesprochen habe, bin ich mir einfach bewusst, dass ich wider besseres Wissen handele – und da fühl ich mich erwischt. Aber immerhin, so haben wir ein Thema. Schuldgefühle. Und ausgerechnet dieses Thema, findet Rita bei der Recherche heraus, gehört nur so sekundär zur Philosophie. Stört uns aber ü-ber-haupt nicht. Wir reden trotzdem drüber. Über Schuld, Schulden, die dazu gehörenden Gefühle und Verantwortung. Und warum Schuldgefühle ein Privileg sind.
„Das Schuldgefühl wäre dann so etwas wie die Stimme des Gewissens, die fordert: Sei du selbst, sei ein Individuum und sei das auf Basis deiner Eingelassenheit.“
Rita Molzberger
P.S. Aus Zeitgründen an dieser Stelle eine beispielhafte Auswahl der Bücher, die Rita als Quellen angegeben hat und nicht die Originalquellen von Rita.
Erwachsen sein – was heißt das eigentlich genau? Für Nora ist das diese rechtwinklinge und graue Welt aus Momo. Und irgendwie – wer will schon erwachsen sein? Das ist doch langweilig! Rita sieht das naturgemäß anders. Sie sagt: Erwachsen sein ist auch schön. Denn erwachsen sein heißt, Freiheiten haben. Ob sie Nora am Ende überzeugen kann, dem Erwachsen sein doch noch etwas abzugewinnen?
In dieser Folge geht es um verantwortungsvolle junge Menschen, wie Greta Thunberg und erwachsene, die sich so gar nicht verantwortungsvoll benehmen – schon gar nicht dieser jungen Schwedin gegenüber. Es geht um die Unterschiede zwischen kindisch und kindlich und die Frage, ob uns digitale Geräte infantilisieren. Und natürlich kommen wir nicht an diesem wunderschönen Zitat von Erich Kästner vorbei:
„Die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut.
Erich Kästne
Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt.
Früher waren sie Kinder,
dann wurden sie Erwachsene,
aber was sind sie nun?
Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“